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Ausgabe März 2023

GESUNDHEIT

RSV: Das unterschätzte Atemwegsvirus

Foto: dbn

RSV: Das unterschätzte Atemwegsvirus

Die RSV (Respiratorisches Synzytial Virus) -Epidemie, die seit November neben SARS-CoV2 und Influenza grassiert ist, klingt nun langsam ab. Im Vergleich zu den beiden anderen Erregern ist das RS-Virus immer noch stark unterschätzt. Bisher wurde es hauptsächlich bei Kleinkindern und Säuglingen gefürchtet, mittlerweile stellt sich heraus, dass auch ältere Personen und Menschen mit chronischen Erkrankungen gefährdet sind.

Für frühgeborene Kinder steht schon jetzt eine passive Immunisierung als Vorbeugungsmaßnahme zur Verfügung, alle anderen müssen noch warten.

„Anfang November wurden erstmals in dieser Saison mehr als zehn Prozent aller eingesendeten Virusproben an unserem Zentrum positiv auf RSV getestet“, berichtet Doz.in Dr.in Monika Redlberger-Fritz vom Zentrum für Virologie an der MedUni Wien. „Erst Ende Jänner ist diese Rate wieder unter zehn Prozent gesunken.“ Die RSV-Saison ist heuer besonders stark ausgefallen, und ist, wie schon im Vorfeld von Expert:innen befürchtet, mit der von Influenza und SARS-CoV2 zusammengefallen.

Dadurch kam es zu einer hohen Anzahl an symptomatischen respiratorischen Infektionen bei Kindern.[1] Das bestätigt auch Univ.-Prof. Dr. Bernhard Resch von der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz, Klinische Abteilung für Neonatologie. „Wir haben immer schon schwere RSV-Fälle in der Hochsaison von November bis März gesehen. Nach einer Pause in der Pandemie ist RSV jetzt leider noch massiver zurückgekommen. Wir müssen in dieser Saison eine höhere Anzahl an betroffenen Säuglingen behandeln als vor der Pandemie.“

RSV häufigster Erreger bei Kindern
Schätzungen zufolge infizieren sich in Österreich etwa 54.600 Kinder im ersten Lebensjahr mit RSV, davon erreicht das Virus bei 11.000 bis 22.000 Kindern die tiefen Atemwege, 1.100 Kinder müssen hospitalisiert werden.[2] Was viele nicht wissen dürften: RSV ist der häufigste Erreger tiefer Atemwegsinfektion bei Kindern unter fünf Jahren.[1] Virologin Redlberger-Fritz präzisiert: „Etwa zwei Drittel aller Kinder erkranken vor ihrem ersten Geburtstag an RSV, praktisch alle bis zum zweiten.“

Hauptursache für kritische Verläufe bei Säuglingen und Kleinkindern ist die Zellverschmelzung von Atemwegszellen, die bei der Virusreplikation stattfindet. Gemeinsam mit einer Entzündungsreaktion kann dies zu einer weiteren Verengung der bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen ohnehin schon engeren Atemwege und in weiterer Folge sogar zu einem Verschluss der betroffenen Atemwege führen.[1] „Wenn diese Kinder ins Spital kommen, leiden sie meist unter starker Atemnot und müssen manchmal auch künstlich beatmet werden“, erläutert Resch.

Passiver Schutz für Risikokinder
Als Risikofaktoren für schwere RSV-Infektionen bei Kindern und Säuglingen gelten unter anderem Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht, männliches Geschlecht, Herz- und Lungenerkrankungen und Immundefekte.[3] Zumindest für bestimmte Risikogruppen gibt es aktuell eine gute Schutzmöglichkeit. Frühgeborene Kinder oder Kinder mit angeborenen Herz- oder Lungenerkrankungen können in Österreich durch eine passive Immunprophylaxe mit einem monoklonalen Antikörper geschützt werden.[1] Leider sind aber auch Kinder durch das RS-Virus gefährdet, die keiner Risikogruppe angehören. Eine amerikanische Studie belegt, dass die Mehrheit der wegen RSV hospitalisierten Säuglinge gesund und reifgeboren worden war.[4] Auch Daten einer österreichischen retrospektiven RSV-Kohortenstudie aus den Jahren 2015-2022 der MedUni Graz zeigen, dass 87 % der wegen RSV hospitalisierten Kinder reifgeboren waren.[5]

RSV betrifft auch ältere Erwachsene
Neben Kindern gelten auch Erwachsene mit kardialen oder pulmonalen Vorerkrankungen und alle immundefizienten und immunsupprimierten Personen als Risikopersonen. Vorbestehende Erkrankungen wie Asthma oder schwere neurologische Erkrankungen können sich durch eine RSV-Infektion verschlechtern.[6]

„Außerdem wird immer klarer, dass auch Menschen über 60 Jahre zur gefährdeten Gruppe gehören“, betont Virologin Redlberger-Fritz. Das beweist auch eine aktuelle Studie, die in Ländern mit einem hohen Durchschnittseinkommen durchgeführt wurde. Sie zeigt, dass die sogenannte „attack rate“, also der Prozentsatz der RSV-Infektionen in einem bestimmten Zeitraum, bei den über 60-Jährigen deutlich höher ist als bisher angenommen. Ähnliches gilt für den Prozentsatz der aufgrund einer RSV-Infektion im Spital Verstorbenen. „Mittlerweile wird häufiger auf RSV getestet als früher“, erläutert Resch. „Deswegen wissen wir nun auch, dass schwere Infektionen bei Senioren oft auf RSV zurückzuführen sind.“

Wer nach einer RSV-Erkrankung aus dem Spital entlassen wird, kann unter Umständen auch mehr Pflege brauchen als davor. Laut einer Studie aus New York war dies bei 15,1 % der Patient:innen mit einem Durchschnittsalter von 69 Jahren der Fall.[7] Die Folgen einer RSV-Infektion können für hospitalisierte ältere Personen sogar noch schwerer sein als für Personen, die wegen Influenza ins Spital eingewiesen werden müssen. Diese reichen von einem längeren Krankenhausaufenthalt bis zu einer höheren Sterblichkeit innerhalb des ersten Jahres nach dem Krankenhausaufenthalt.[8]

RSV-Infektionen können derzeit nur symptomatisch therapiert werden. Immunisierungen – entweder passiv als Antikörper oder aktiv in Form von Impfungen – gegen RSV werden in nächster Zeit immer wichtiger. Laut einer Pipeline Review der europäischen Impfstoffhersteller (Vaccines Europe) sind aktuell 11 RSV-Impfstoffe in Entwicklung.[9] Sie sollen im Sinne einer „LifeCourseImmunization/LCI“, also dem lebenslangen Impfen, zukünftig nicht nur Kinder, sondern Erwachsene, und vor allem ältere Menschen schützen [10]. Mit der Impfung in der Schwangerschaft können darüber hinaus schützende Antikörper auf das Kind übertragen werden. Die mittlerweile durch COVID-19 bekannten Hygienemaßnahmen schützen bis dahin aber auch gegen RSV.

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