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Ausgabe April 2023

POLITIK

Kritik an COVID-19-Maßnahmen: Nationalrat schließt Beratungen über drei Volksbegehren ab

Foto: dbn

Kritik an COVID-19-Maßnahmen: Nationalrat schließt Beratungen über drei Volksbegehren ab

Die Auflösung des Nationalrats, die Abberufung der Bundesregierung und die Ernennung einer Expertenregierung bis zur Durchführung von Neuwahlen, sind die zentralen Forderungen eines Volksbegehrens, das Ende März 2023 im Nationalrat behandelt wurde.

172.712 Österreicher:innen bzw. 2,72 % der Wahlberechtigten sprachen sich für das Anliegen aus, das vor allem mit einer Kritik an den COVID-19-Maßnahmen der Bunderegierung begründet wird. Das Pandemiemanagement steht auch im Zentrum zweier weiterer Volksbegehren. So forderten 218.000 Bürger:innen die sofortige Aufhebung aller COVID-19-Vorschriften und 184.936 stellten sich hinter ein Begehren, das die Wiedergutmachung von durch die Maßnahmen verursachten Schäden möchte. Ein im Zuge der Debatte um letzteres Volksbegehren eingebrachter Entschließungsantrag der Freiheitlichen auf die Einrichtung eines mit 250 Mio. € dotierten Corona-Wiedergutmachungsfonds des Bundes, blieb in der Minderheit.

Im Plenum stellte sich nur die FPÖ uneingeschränkt hinter die Volksbegehren. SPÖ und NEOS zeigten zwar Verständnis für deren Motivation, differierten aber inhaltlich. Die Koalitionsfraktionen verwiesen auf eigene Erfolge im Pandemiemanagement, gestanden jedoch auch Fehler ein, die nun im Rahmen eines "Aussöhnungsprozesses" aufgearbeitet werden sollen.

Volkbegehren fordert Rücktritt der Bundesregierung

Durch die Auflösung des Nationalrats per Auflösungsbeschluss soll der Weg für eine unverzügliche Abberufung der Bundesregierung und die Ernennung einer Expertenregierung frei gemacht werden, wenn es nach den Unterzeichner:innen des Volksbegehrens "Rücktritt der Bundesregierung" geht. Begründet wird das mit der aus ihrer Sicht offenkundigen "Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung", wobei insbesondere die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Zentrum der Kritik stehen. Diese seien unverhältnismäßig, nicht evidenzbasiert und teilweise verfassungswidrig gewesen, wird unter anderem moniert. Mitschuld am "Chaos" geben die Proponent:innen nicht zuletzt der - von Parteien dominierten - repräsentativen Demokratie. Nur direkte Demokratie sei "echte Demokratie", meinen sie und drängen in diesem Sinn auch auf den Ausbau direktdemokratischer Instrumente nach dem "Züricher Modell".

ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl führte aus, dass Volksbegehren wichtige demokratische Instrumente seien, um Verbesserungen für die Bürger:innen herbeizuführen. Dies sei beim vorliegenden Volksbegehren jedoch nicht der Fall, da hier lediglich politische Agitation betrieben werde. Es handle sich um den partei- und machtpolitischen "Missbrauch" eines Mittels der direkten Demokratie und der Unterzeichner:innen. Christian Stocker (ÖVP) wunderte sich über die "vorbehaltlose Zustimmung" der FPÖ für die Initiative, obwohl darin die repräsentative Demokratie abgelehnt werde, der auch die freiheitlichen Mandatar:innen angehörten. Sämtliche Entscheidungen während der Pandemie seien zudem aus Verantwortung für das Gesundheitssystem, die Wirtschaft und die Menschen in Österreich getroffen worden. So habe die Bundesregierung "das Land gut durch die Krise geführt", auch wenn es dabei zu Fehlern gekommen ist. Diese würden nun aufgearbeitet, so Stocker.

Es sei legitim dieses Anliegen per Volksbegehren zum Ausdruck zu bringen, erklärte Agnes Sirkka Prammer (Grüne) - auch wenn es bereits überholt sei. Wenn man den Forderungen schon zur Zeit ihrer Einbringung nachgekommen wäre, hätte dies allerding Österreich in den Zustand der Handlungsunfähigkeit versetzt.

Jörg Leichtfried (SPÖ) konnte mit der Initiative zwar inhaltlich "nicht mitgehen", er teile aber die Unzufriedenheit der mit der Bundesregierung. Er nannte die aus seiner Sicht mannigfaltigen versäumten Maßnahmen im Sozialbereich, wie den Gaspreisdeckel, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, das Aussetzen der CO2-Bepreisung oder fehlende wirksame Maßnahmen gegen die Mieterhöhungen. Dementsprechend sei das Misstrauen gegenüber der Bundesregierung nachzuvollziehen, wie auch Selma Yildirim (SPÖ) erklärte. Sie sprach auch von einer "Aushöhlung" des Rechtsstaats und dem Abfallen Österreichs in internationalen Rankings, was Korruptionsbekämpfung, Pressefreiheit und Demokratie betreffe.

Sowohl ÖVP als auch SPÖ würden nicht über das eigentliche Thema des Volksbegehrens - die Kritik an den COVID-19-Maßnahmen - sprechen, da sich beide Parteien in dieser Frage "versündigt" hätten, sagte FPÖ-Mandatarin Susanne Fürst. Die von den Initiator:innen angesprochene "Inkompetenz" im Pandemiemanagement sei äußert facettenreich gewesen. Sie griff dafür einige - ihrer Meinung nach - falschen und paradoxen Aussagen von prominenten Maßnahmenbefürworter:innen auf. Diese hätten sich etwa für die Schließung von Bildungseinrichtungen ausgesprochen, was sich laut Fürst als folgenreiche Fehlentscheidung herausgestellt habe und hätten regelmäßig fehlerhafte Modelle und Studien erarbeitet. Ihre "Politisierung" habe der Wissenschaft nachhaltigen Schaden zugefügt, erklärte Fürst. Eine der größten "Fake News" sei jene über die Vollimmunisierung durch die Impfung gewesen, wie Harald Stefan (FPÖ) ergänzte.

Yannick Shetty (NEOS) gestand ein, dass seine Fraktion im Krisenmanagement wohl teilweise die gleichen Fehler gemacht hätte, wie die Koalition. Er war sich jedoch "totsicher", dass die NEOS Kinder und Jugendliche nicht "weggesperrt" und ihnen somit einen Teil ihrer Jugend genommen hätten. Wenn Gesundheitsminister Johannes Rauch sich nun dafür entschuldige, sei dies positiv zu bewerten. Man dürfe jedoch nicht vergessen, wie die Grünen den NEOS Wissenschaftsfeindlichkeit vorgeworfen hätten, als diese sich gegen die Schulschließungen aussprachen. Shetty berichtete von einer Verdreifachung der Suizidversuche unter Kindern und Jugendlichen im Laufe der Pandemie und plädierte daher für die Einführung von Psychotherapie als Krankenkassenleistung.

Forderungen nach Abschaffung der COVID-19-Maßnahmen und Wiedergutmachung für Geschädigte

Vehemente Kritik an "fragwürdigen Maßnahmen" wie dem Testen, Maskentragen, "Hausarrest" oder dem Impfen, übt auch das Volksbegehren zur sofortigen Abschaffung sämtlicher COVID-19-Vorschriften. Diese seien nicht geeignet, Infektionen mit dem Virus zu verhindern und zeitigten zahlreiche negative Auswirkungen auf die Gesellschaft, Wirtschaft und Gesundheit. Insbesondere in Krisenzeiten müsse die Einhaltung der verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte gewährleistet werden.

Massive menschliche, soziale und wirtschaftliche Schäden durch die vielen "willkürlichen Vorschriften" der Regierung im Rahmen der Pandemiebekämpfung führen auch die Proponent:innen eines weiteren Volksbegehrens zu dieser Thematik an. Es sollen nicht nur alle COVID-19-Gesetze zurückgenommen und entsprechende Strafen aufgehoben werden, sondern den Betroffenen auch Schadenersatz zugesprochen werden.

"Nur wer nichts tut, macht keine Fehler" kommentierte ÖVP-Mandatar Werner Saxinger die Volksbegehren. Das Schützen von Menschenleben sei in der Pandemie oberste Prämisse gewesen, was auch tausendfach gelungen sei. Die rasche Bereitstellung von Spitalsbetten, die effiziente Durchführung von Testungen und Impfungen sowie den Ausbau der Telemedizin betrachtet Saxinger als Erfolge im Krisenmanagement. Doch auch die begangenen Fehler müssten nun sowohl wissenschaftlich als auch strukturell und schließlich politisch aufgearbeitet werden. Dieser Prozess wird laut Saxinger ab Ostern von der Akademie der Wissenschaften begleitet.

Die FPÖ, die die Volksbegehren unterstütze, habe vergessen, um was es bei den COVID-19-Maßnahmen gegangen sei, erklärte Ralph Schallmeiner von den Grünen - nämlich das "Kippen" des Gesundheitssystems zu verhindern. Dabei sei "nicht immer alles richtig gemacht worden", doch hätten mittlerweile 347.000 Studien, die zu Corona entstanden seien, viel Wissen generiert, um aus den Fehlern zu lernen. Die FPÖ habe währenddessen lediglich "Fake News" verbreitet und Unsicherheit geschürt.

Auch SPÖ-Mandatar Rudolf Silvan sparte nicht mit Kritik an der "Desinformationskampagne" der FPÖ. Er erinnerte an Aussagen von freiheitlichen Politikern wie Herbert Kickl über das "Pferdeentwurmungsmittel" Ivermectin, jene von Gerald Hauser über eine "Plandemie" und jene von Dagmar Belakowitsch, die behauptet hätte, es würden mehr Menschen mit Impfschäden auf der Intensivstation liegen, als COVID-19-Infizierte. Doch auch die ÖVP habe mehr auf Marketing, als auch Krisenmanagement gesetzt, indem etwa mehrmals verfrüht ein Ende der Pandemie verkündet worden sei, wie Silvan ausführte. Man brauche sich also nicht zu wundern, wenn "ein Volksbegehren nach dem anderen" zu dieser Thematik behandelt werden müsse. ÖVP und FPÖ trugen die Verantwortung für das fehlerhaften Krisenmanagement, resümierte Philip Kucher (SPÖ).

Niemand könne alles richtig machen, griff Dagmar Belakowitsch (FPÖ) zustimmend die Argumentation von ÖVP und Grünen auf - doch die Koalition habe es geschafft, "alles falsch zu machen". Von der Außerkraftsetzung des Epidemiegesetzes über die Lockdowns bis zur Schließung von Bildungseinrichtungen, rekapitulierte sie einige aus ihrer Sicht falsche Maßnahmen. Das Motto sei "Zusperren, Einsperren und Aussperren" gewesen. Laut Belakowitsch sei es schnell klar gewesen, dass das Virus nicht jene Gefährlichkeit aufweise, wie anfangs angenommen. Dies habe die Bundesregierung jedoch nicht daran gehindert, die Pandemie "bis zum Exzess" zu treiben und abweichende Stimmen aus der Wissenschaft "medial zu vernichten". Die angerichteten Schäden etwa durch "zehntausende zu Unrecht verhängte Strafen", durch Diskriminierung am Arbeitsplatz oder Umsatzverluste in der Wirtschaft harrten noch immer einer Wiedergutmachung, sagte Gerhard Kaniak (FPÖ). Auch die allgemeine Impfbereitschaft habe durch das "Maßnahmenregime" gelitten. Gerald Hauser (FPÖ) bezeichnete es als "Tragödie", dass die Bundesregierung im Dezember 2021 die WHO beauftragt habe einen Pandemievertrag für ein weltweites Pandemiemanagement auszuarbeiten, wodurch Demokratie und Bürgerrechte einfach ausgehebelt werden könnten. Sein Fraktionskollege Peter Wurm betrachtete den von der Koalition proklamierten Aussöhnungsprozess schließlich als unehrlich.

NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler äußerte ihren Wunsch, dass die Politik aus der Pandemie lerne, insbesondere was die Kinder und Jugendlichen betreffe, die am meisten unter den Maßnahmen gelitten hätten. Im Nachhinein zu "schimpfen" sei jedoch leicht. COVID-19 werde uns wie die Grippe weiterhin begleiten. Fiedler sprach auch andere "Baustellen" im Gesundheitssystem an, wie den Pflegenotstand, den Mangel an niedergelassenen Kassenärzt:innen oder in der Präventionsmedizin. Gerade in letzte zu investieren sei günstiger, als später für langwierige Rehabilitationskosten aufkommen zu müssen.

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