Ausgabe Juni 2025

30.05.2025

Selbst schuld am Privatkonkurs?

Foto: dbn

Selbst schuld am Privatkonkurs?

Mit 31 Prozent ist „persönliches Verschulden“, vor allem die Überschätzung der eigenen Leistungskraft und ein schlechtes Konsumverhalten, die häufigste Ursache für Privatkonkurse im Jahr 2024. Das sind um 2,4 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2023. Die ehemalige Selbständigkeit führt weiterhin bei rund einem Viertel in die Sackgasse. Die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise sind laut aktueller KSV1870 Analyse bei weniger als einem Prozent der Fälle die Hauptursache, und damit verschwindend gering. Für den Gläubigerschutzverband rückt angesichts dieser Ergebnisse die Bedeutung von Finanzbildung zunehmend in den Fokus. Darüber hinaus fordert der KSV1870 die Rückkehr zur 5-jährigen Entschuldungsdauer für Privatpersonen.

Die wirtschaftliche Lage der österreichischen Privathaushalte hat sich auch im Vorjahr nicht entspannt. Das anhaltend hohe Kostenniveau in Kombination mit einer nach wie vor erhöhten Inflationsrate von 2,9 Prozent betrifft die Österreicherinnen und Österreicher unverändert. Aber die gestiegenen Kosten haben nicht dazu geführt, dass im Vorjahr die Schuldenregulierungsverfahren sprunghaft angestiegen wären. Insgesamt wurden 2024 in Österreich 8.822 Privatkonkurse eröffnet, das ist Minus von 0,3 % gegenüber dem Jahr davor. Auffällig sind die Ursachen: Fast ein Drittel (31 %) davon ist auf „persönliches Verschulden“ zurückzuführen. Das entspricht einem Zuwachs von 2,4 Prozentpunkten gegenüber 2023. Aufgrund der Kostensteigerungen ist besondere Vorsicht geboten. Sind die finanziellen Mittel knapp, sollten gerade jetzt keine zusätzlichen Verpflichtungen eingegangen werden, auf die auch verzichtet werden kann. Eine strenge Haushaltsrechnung ist ein Muss“, erklärt
MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz. Darunter fallen in erster Linie die „Überschätzung der eigenen Leistungskraft (21,5 %) sowie ein schlechtes Konsumverhalten bzw. ein generell schlechter Umgang mit Geld (7,2 %).

Finanzbildung als wesentlicher Hebel
Wie aus der KSV1870 Analyse hervorgeht, tritt „persönliches Verschulden“ bei unter-40-jährigen (33 %) deutlich häufiger in Erscheinung als bei den über-40-Jährigen (26 %). „Die bewusste Verschuldung aufgrund eines überbordenden Konsums betrifft alle Altersklassen, ganz besonders aber die jüngeren Generationen. Bei Gericht sehen wir viele Menschen, die sich bereits früh in ihrem Leben mit einem derart großen finanziellen Rucksack belasten, den sie kaum noch bewältigen können“, so Götze. Angesichts dieser Entwicklung hat der KSV1870 seine Aktivitäten im Bereich der Finanzbildung weiter intensiviert und erachtet eine verstärkte Verankerung des Themas in den Lehrplänen als alternativlos. „Junge Menschen vor Verschuldung zu schützen, liegt uns besonders am Herzen. Nicht umsonst haben wir dieses Thema fest in unserer CSR-Strategie verankert“, so Götze. Seit Jahrzehnten halten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Vorträge an unterschiedlichsten Bildungseinrichtungen – von der Grundschule bis zu universitären Einrichtungen –, informieren über Risiken und klären über Folgen der Verschuldung auf.

Unverändert: Jede vierte Pleite wegen ehemaliger Selbständigkeit
Als zweithäufigste Ursache gilt weiterhin eine frühere ehemalige Selbständigkeit: 26,7 Prozent aller Privatkonkurse sind darauf zurückzuführen. Das entspricht einem geringfügigen Anstieg von 0,4 Prozentpunkten gegenüber 2023. Während Konsumschulden insbesondere bei Jüngeren massiv ins Gewicht fallen, wird eine ehemalige Selbständigkeit vor allem bei der Altersgruppe ab 40 Jahren deutlich häufiger als hauptsächlicher Insolvenzgrund genannt. Wie der Jahresvergleich außerdem zeigt, ist die Reduktion des Einkommens in 14,2 Prozent der Fälle die entscheidende Insolvenzursache. Gegenüber dem Jahr 2023 steht damit ein Rückgang von 3,6 Prozentpunkten zu Buche. Insbesondere das Thema Arbeitslosigkeit (11,3 %) spielt hier eine wesentliche Rolle.

Corona-Krise ohne Relevanz in der Ursachenstatistik
Die finanziellen Folgen der Corona-Krise waren im Vorjahr lediglich in 0,7 Prozent (2023: 0,9 %) aller eröffneten Privatkonkurse die Hauptursache. Damit festigt sich die Einschätzung des KSV1870, dass die Pandemie kein relevanter Faktor für einen Privatkonkurs ist. Im Jahr 2021 wurde diese jedoch seitens des Gesetzgebers als zentraler Grund angeführt, warum es eine neuerliche Änderung des an sich gut funktionierenden Insolvenzwesens bedarf. Und so wurde es vielen Privatpersonen ermöglicht, sich bereits nach drei, statt bis zu diesem Zeitpunkt nach fünf Jahren zu entschulden.

Gesetz neu: 5-jährige Entschuldungsdauer als fairste Lösung
Das juristische Fundament des Privatkonkurses wurde erstmals im Jahr 2017 aufgebohrt. Der Gesetzgeber verkürzte die Rückzahlungsdauer von sieben auf fünf Jahre und schaffte die Mindestquote von 10 Prozent ab. Mit der Gesetzesänderung 2021 (Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie der EU) wurden die Spielregeln im Privatkonkurs abermals zulasten der Gläubiger novelliert. Die Einführung des Tilgungsplans im Rahmen der Abschöpfung hat dazu geführt, dass sich heute 97 Prozent der Privatpersonen nach drei Jahren entschulden – auch Konsumschuldner, die eine Verschuldung bewusst in Kauf genommen haben. Sie machen, wie aus der vorliegenden KSV1870 Analyse hervorgeht, fast ein Drittel aller Schuldner aus. „Wir möchten nicht schmälern, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen momentan für viele Haushalte schwierig sind. Doch das sind nicht die Schuldner, die wir aktuell bei den Gerichten sehen. Unverändert sehen wir im Privatkonkurs mehrheitlich jene Menschen, die konstant über ihren Verhältnissen leben oder fahrlässig mit ihren Finanzen umgehen“, so Götze. Das Nachsehen haben die Gläubiger, die aufgrund der abermals verkürzten Entschuldungsdauer von fünf auf drei Jahre mit geringeren Rückflüssen rechnen müssen.

Tilgungsplan für ehemalige Unternehmer gedacht
Der KSV1870 setzt sich seit Jahrzehnten für die zweite Chance bei (redlichen) Unternehmern ein. Denn im Gegensatz zu „echten“ Konsumschuldnern sorgen redliche Unternehmer für Wertschöpfung, schaffen Arbeitsplätze und tragen damit ein ungleich höheres Risiko sowie eine deutlich höhere Verantwortung als Konsumenten. „Dass die Europäische Union mit dem Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie dieses Thema adressiert hat, war sehr positiv und so war der Tilgungsplan von der EU vorrangig zur Entschuldung von ehemaligen Unternehmern gedacht. In Österreich wurde im Rahmen der Umsetzung auch Privatpersonen (befristet) Zugang gewährt. „Nachdem sich aber Privatkonkurse von ehemaligen Unternehmern und Privatpersonen fundamental unterscheiden - sowohl hinsichtlich der Schulden als auch der Insolvenzursachen - sollte dieses Verfahren, so wie ursprünglich gedacht, nur ehemaligen Unternehmern offenstehen“, so Götze.

KSV1870 gegen dauerhafte Umsetzung der 3-jährigen Entschuldungsdauer
Aufgrund sämtlicher angeführter Faktoren und der damit verbunden deutlich verminderten Befriedigungschancen von Gläubigern sowie der deutlich erhöhten Gefahr von Forderungsausfällen spricht sich der KSV1870 nach Analyse vorliegender Zahlen gegen die Verlängerung der bis zum 17. Juli 2026 laufenden Übergangsfrist zur Anwendung der Bestimmungen über den Tilgungsplan für Verbraucher aus. Die Entschuldungsfrist bei Privatpersonen, deren Zahlungsunfähigkeit nicht auf eine ehemalige Selbständigkeit zurückgeführt werden kann, sollte ohne explizite Zustimmung der Gläubiger die Dauer von fünf Jahren nicht unterschreiten. „Im Sinne eines fairen gesamtgesellschaftlichen Interessenausgleichs sollte der Zugang von Privatpersonen zum Tilgungsplan beendet werden und damit die Rückkehr zur 5jährigen Entschuldungsdauer auf den Weg gebracht werden. Denn es kann von Schuldnern eine gewisse Anstrengung bei der Regulierung ihrer Schulden erwartet werden, auch um eine neuerliche Verschuldung zu vermeiden“, so Götze.

Text/Quelle: Kreditschutzverband von 1870

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